Ansprachen der Kongresspräsidenten

Ansprache des Kongresspräsidenten der DGVS

Prof. Dr. med. Axel Dignass

Herzlich willkommen in Leipzig!

Es ist mir eine große Ehre, Sie als Kongresspräsident der DGVS zur Viszeralmedizin 2024 zu begrüßen. Unser Motto in diesem Jahr lautet „Kooperativ – Nachhaltig – Visionär“, und ich bin überzeugt, dass wir diese Visionen gemeinsam heute und in der Zukunft gestalten können.

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Wissenschaftlicher Fortschritt: Personalisierte Medizin, Molekulare Medizin und Künstliche Intelligenz

Die Gastroenterologie steht an der Spitze wissenschaftlicher Innovationen. Besonders hervorzuheben sind die Fortschritte in der molekularen Diagnostik und personalisierten Medizin, die es uns zunehmend ermöglichen, Behandlungen individuell auf die genetischen und biologischen Profile unserer Patientinnen und Patienten abzustimmen. Dies gilt insbesondere in der gastrointestinalen Onkologie, wo wir durch personalisierte Ansätze eine höhere Präzision und bessere Behandlungsergebnisse erzielen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) verändert zudem grundlegend, wie wir Daten verarbeiten und klinische Entscheidungen treffen. Etwa in der Endoskopie und auch bei anderen Bildgebungen hilft KI, Bilddaten schneller und präziser auszuwerten, was unsere Diagnostik vereinfacht und in der Zukunft sicherlich verbessert.

Prävention: Adipositas, Fettleber und chronische Erkrankungen

Ein weiteres zentrales Thema ist die Prävention, besonders bei zunehmenden Volkskrankheiten wie Adipositas, der nicht-alkoholischen Fettleber, aber auch bei Darmkrebs und weiteren Karzinomen des Verdauungstraktes. Wir stehen vor der Herausforderung, präventive Maßnahmen stärker in den klinischen Alltag zu integrieren, um die Krankheitslast zu verringern und die Kosten im Gesundheitssystem zu reduzieren. Prävention muss dabei eine der Kernaufgaben der Viszeralmedizin sein – von der Früherkennung bis hin zur Verhinderung schwerwiegender Folgeerkrankungen. Wir sollten uns vielmehr mit der Bauchgesundheit beschäftigen, als den Erkrankungen des Verdauungstraktes hinterherzulaufen.

Politische und strukturelle Herausforderungen: Ambulantisierung und Personalmangel

Neben diesen wissenschaftlichen Fortschritten dürfen wir die politischen und strukturellen Rahmenbedingungen nicht aus den Augen verlieren. Die zunehmende Ambulantisierung und die Einführung von Hybrid-DRGs verschieben immer mehr Behandlungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich. Dies bietet zwar Vorteile für die Patientinnen und Patienten, stellt aber eine Herausforderung für die Organisation der klinischen Abläufe und insbesondere die Weiterbildung junger Ärztinnen und Ärzte dar. Klinische Kompetenzen wie die Notfallversorgung und Intensivmedizin, aber auch die generelle Breite unseres Fachgebietes und Grundkenntnisse der Inneren Medizin dürfen nicht verloren gehen, auch wenn sich der Fokus immer mehr in den ambulanten Sektor verlagert.

Auch der Personalmangel in Kliniken und Praxen verschärft die Situation. Dieser führt zu erheblichen Versorgungsengpässen und einer Kostenexplosion im Gesundheitssystem. Hinzu kommt eine erhebliche Leistungsverdichtung durch immer kürzere Verweildauer in den Kliniken und Praxen bei einer dramatischen Zunahme von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Diese Entwicklungen führen zu einer zunehmenden Belastung und auch Frustration der Mitarbeitenden, die wiederum zu höheren Krankheitszeiten, einem Wechsel in andere klinische und außerklinische Bereiche und letztendlich auch zu Abwanderung aus der Viszeralmedizin − auch ins Ausland führen. So gehen uns dringlich benötigte, hoch qualifizierte und auch teuer ausgebildete Fachkräfte verloren. Da die ärztliche Weiterbildung nahezu ausschließlich in den Kliniken stattfindet, wird dies vermutlich in der Zukunft auch zu einer Bedrohung des ambulanten Sektors durch fehlende Gastroenterologinnen und Gastroenterologen und letztendlich nicht ausreichend besetzten Facharztsitzen führen. Daher erscheint es mir besonders wichtig, dass wir das volle Potenzial der in unserem Feld tätigen handelnden nutzen. Hierzu zählen sowohl der Nachwuchs, die nicht geringe Anzahl von Frauen und auch gelegentlich Männern, die aufgrund der Familienplanung nach erfolgreicher Ausbildung und mit großem Wissen nicht mehr für die klinische und wissenschaftliche Tätigkeit zur Verfügung stehen, aber auch die zahlreichen in der Wissenschaft oder Klinik tätigen Kolleginnen und Kollegen, die gerne nach Erreichen von Altersgrenzen ihre Tätigkeit einige Zeit fortführen wollen.

Wir stehen heute selbstverständlich auch in enger Konkurrenz mit den anderen Fachgebieten der Inneren Medizin, wenn es um die Förderung von Drittmitteln und Nachwuchsgewinnung geht. Darüber hinaus konkurrieren wir aber auch mit anderen Bereichen der Medizin, die in den letzten Jahren ein erstaunliches Wachstum hingelegt haben. Hierzu zählen zum Beispiel die Herzmedizin, die Neurowissenschaften und auch die Tumormedizin. Wir müssen verhindern, dass uns das gleiche Schicksal wie der deutschen Endokrinologie oder Rheumatologie widerfährt, die in der Vergangenheit weltweit an der Spitze ihrer Fachgebiete standen und nun bis auf wenige Leuchttürme ein Schattendasein im universitären deutschen klinischen Gesundheitssystem führen. Solange in Deutschland medizinische Lehrstühle, Chefarztstellen und die personelle Ausstattung im Wesentlichen anhand der im stationären Bereich zu betreuenden Patienten festgelegt werden, werden wir zunehmend Probleme haben, unsere bisherigen Erfolge und unseren Stellenwert zu behaupten. Wir dürfen uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen, sonst enden wir Gastroenterologinnen und Gastroenterologen als Dienstleister der anderen medizinischen Fachgebiete.

Nachwuchsförderung: Clinician Scientists

in diesem Zusammenhang ist die Förderung des Nachwuchses von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unseres Fachs. Die deutsche Gastroenterologie mit Ismar Boas und Carl Anton Ewald hat entscheidende Beiträge zur weltweiten Etablierung des Fachgebietes Gastroenterologie erbracht, die starre und flexible Endoskopie wurde in Deutschland maßgeblich entwickelt. Hier wären viele weitere Erfolge der deutschen Gastroenterologie zu nennen. Auch wissenschaftlich war die deutsche Gastroenterologie jahrzehntelang führend. In den Vorjahren haben wir von den Präsidenten wiederholt gehört, dass die gastroenterologische Forschung in Deutschland führend ist. Bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gehen in keinem medizinischen Fachgebiet so viele Anträge ein, und keines wird so häufig gefördert, wie die Gastroenterologie. Die Vitalität unseres Fachgebietes wird auch durch die hohe Qualität der diesjährigen Bewerbungen für die zahlreichen Preise der DGVS verdeutlicht, die wir dieses Jahr vergeben haben. Wir müssen aber auch daran arbeiten, die zahlreichen Stipendiaten und Preisträger langfristig für unser Fachgebiet zu erhalten und verhindern, dass diese in andere Fachgebiete oder ins Ausland abwandern, weil unsere Forschungsbedingungen nicht mehr dem aktuellen Bedarf entsprechen. Wichtig erscheint mir auch insbesondere eine Förderung von Translational Clinician Scientists, die dafür sorgen, dass die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse Eingang in die klinische Realität finden und wir nicht nur Leuchtturmmedizin betreiben, die der breiten Versorgung nicht zugutekommt. Mehr als 90 % unserer Patienten werden außerhalb der Universitätskliniken in den zahlreichen kommunalen Krankenhäusern und in der Niederlassung betreut. Daher wird es zunehmend wichtiger, dass wir Angebote schaffen, um möglichst viele talentierte Köpfe in unserem Fachgebiet zu halten. Professor Ansgar Lohse hat im letzten Jahr die hohe Bedeutung der Etablierung von Clinician Scientist Programmen hervorgehoben, die auch in der Gastroenterologie eine wichtige Säule zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses darstellen. Wir müssen nun aber auch weitere Anstrengungen unternehmen, diese Clinician Scientists in unserem Fachgebiet dauerhaft zu etablieren und bekannt zu machen. Aus diesem Grund haben wir den Freitag als Clinician Scientist Tag auf diesem Kongress ausgerufen und wollen hiermit eine Plattform für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bieten, diese Gruppe aus ihrem Schattendasein in die Mitte der Gastroenterologie zu führen und ihnen Möglichkeiten der Vernetzung und Präsentation ihrer Arbeiten zu bieten. Es sollte wieder üblich werden, dass unsere Top-Talente ihre Ergebnisse bei der Viszeralmedizin vorstellen und nicht nur bei den großen internationalen Kongressen im Ausland, sodass die allgemeine deutsche Gastroenterologie an diesen Erfolgen gar nicht teilhaben kann und viele unserer führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unserem Land weniger bekannt sind als im Ausland. Wir müssen dahin kommen, dass wieder mehr Forschende aus dem Ausland in Deutschland tätig sein wollen und unsere Wissenschaft nach vorne bringen. Obwohl wir weiterhin an der Spitze vieler Forschungsrankings stehen, wurde ein nicht unerheblicher Teil dieser Erfolge im Ausland erarbeitet. Es ist essenziell, dass wir talentierte junge Ärztinnen und Ärzte fördern und ihnen Karrierewege in der Forschung und Klinik eröffnen, um die Abwanderung ins Ausland zu verhindern. Die Kombination aus klinischer Tätigkeit und Forschung muss gestärkt werden, um den wissenschaftlichen Fortschritt voranzutreiben. Als Fachgesellschaft müssen wir uns diesen Herausforderungen stellen und Lösungen entwickeln, die eine nachhaltige Versorgung sichern und die Arbeitsbedingungen verbessern. Dies können wir selbstverständlich nicht allein lösen, daher ist es umso wichtiger, dass wir uns in entsprechende politische Prozesse einbringen.

Die Breite der Gastroenterologie: Multiorgankompetenz und Interdisziplinarität

Ein wesentlicher Punkt, den ich betonen möchte, ist die Breite der Gastroenterologie. Wir sind die letzten „Generalisten“ der Inneren Medizin, mit einer umfassenden Multiorgankompetenz, die den gesamten Magen-Darm-Trakt sowie Leber, Galle und Pankreas umfasst. Als „Bauchmediziner“ vereinen wir in unserer Arbeit Infektiologie, Notfallmedizin, Intensivmedizin, aber auch die Allgemeine Innere Medizin und Interdisziplinarität. Wir repräsentieren die „Schweizer Taschenmesser der Inneren Medizin“. Diese Vielfalt macht uns zu unverzichtbaren Partnern im Gesundheitssystem und betont unsere Rolle innerhalb der Inneren Medizin. Andererseits ist die Viszeralmedizin zu komplex geworden, um das Fachgebiet in seiner gesamten Breite überblicken und abdecken zu können, geschweige denn alle Patienten mit gleicher Spitzenqualität behandeln zu können. Deshalb werden wir neben der allgemeinen Breite auch eine zunehmende Spezialisierung in Leuchttürmen benötigen, dürfen aber die Vielfalt des Fachgebietes nicht aufgeben. Wir müssen lernen, ein Gleichgewicht zwischen hoher Spezialisierung und allgemeiner Fachkompetenz zu bewahren und dürfen die Dinge nicht aus den Augen verlieren, die für das Fortbestehen des Fachgebietes essenziell sind, in der individuellen Karriere aber häufig wenig förderlich: Lehre, klinische Versorgung, Gremienarbeit, Führungsaufgaben. Aus meiner Sicht müssen leitende Gastroenterologinnen und Gastroenterologen nicht gleichzeitig perfekte Forschende, Kliniker, Organisierende, Kommunizierende und Politiker sein, vielmehr müssen wir zunehmend Teamstrukturen entwickeln. Hier können wir sicherlich noch einiges von unseren Kollegen im Ausland lernen.

Nachhaltigkeit: Umweltbewusstsein und ressourcenschonende Verfahren

Schließlich möchte ich noch kurz auf das Thema Nachhaltigkeit eingehen, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wir müssen unseren ökologischen Fußabdruck verringern und ressourcenschonende Verfahren in unsere tägliche Praxis integrieren. Dies kann zum Beispiel durch die Reduktion unnötiger Untersuchungen, verbesserter Untersuchungstechniken oder die Optimierung von Abläufen erfolgen. Dies wird auch auf diesem Kongress unter anderem im Vision Village thematisiert, wo innovative Ideen für eine nachhaltige Medizin vorgestellt werden.

Die Viszeralmedizin steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Auf der einen Seite erleben wir wissenschaftliche Fortschritte wie nie zuvor, auf der anderen Seite stehen wir vor politischen und strukturellen Herausforderungen. Wir müssen jedoch aufhören, uns ständig über den strukturellen Wandel und die zunehmenden politischen und finanziellen Herausforderungen im Gesundheitssystem zu beklagen. Wir sollten vielmehr die aktuellen Veränderungen als Chance begreifen, um schon lange notwendige Änderungen unserer festgefahrenen Strukturen nicht nur zu diskutieren, sondern auch zeitnah den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Aus meiner Sicht ist es ein Unding, dass wir heute noch Patienten in unseren Krankenhäusern behandeln, die in den meisten Ländern der Welt unter ambulanten Bedingungen mit gleicher Ergebnis Qualität versorgt werden können. Um auch in der Zukunft bestehen zu können, müssen wir über verschiedene Sektoren und Versorgungsbereiche in der Viszeralmedizin und auch über verschiedene Generationen hinweg Lösungen finden, die den wissenschaftlichen und technischen Fortschritten in der Viszeralmedizin, der Digitalisierung, dem Generationenwandel und den aktuellen Lebensumständen mit einem Wandel von Work-Life-Balance zu Life-Work-Balance Rechnung tragen. Indem wir kooperativ, nachhaltig und visionär handeln, können wir diese Herausforderungen hoffentlich meistern und eine Viszeralmedizin gestalten, die sowohl der Wissenschaft als auch unseren Patientinnen und Patienten zugutekommt.

Die Viszeralmedizin 2024 soll die Vielfalt, die Vitalität und die Innovationskraft unseres Fachgebietes widerspiegeln. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen spannenden, vielfältigen und auch hoffentlich kritisch-konstruktiven Kongress mit zahlreichen neuen Erkenntnissen, die Sie nach Ihrer Rückkehr in Ihrem täglichen Wirken bereichern werden.

 

Prof. Dr. med. Axel Dignass
Medizinische Klinik I
Agaplesion Markus Krankenhaus Frankfurt
Wilhelm-Epstein-Str. 4
60431 Frankfurt am Main
axel.dignass@agaplesion.de

Ansprache des Kongresspräsidenten der DGAV

Prof. Dr. med. Waldemar Uhl

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

ich heiße Sie herzlich willkommen zum Kongress Viszeralmedizin 2024 in Leipzig! Es ist mir eine große Freude und Ehre, Sie hier zu sehen und gemeinsam mit Ihnen diese bedeutende Veranstaltung zu eröffnen. Dieser gemeinsame Kongress, der 2005 in Köln von unseren beiden Fachgesellschaften DGVS und DGAV ins Leben gerufen wurde, wird nächstes Jahr sein 20-jähriges Jubiläum feiern. In dieser Zeit hat er sich zu einer unverzichtbaren Plattform für die Gastroenterologie und Viszeralchirurgie entwickelt und ist der größte deutschsprachige Kongress für unsere beiden Fachgesellschaften – quasi eine Marke, auf dem Viszeralmediziner*innen sein müssen.

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Wie Sie wissen, behandeln die Gastroenterologie und die Viszeralchirurgie oft die gleichen Krankheitsbilder, jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven. Diese unterschiedliche Sichtweise ist kein Nachteil für unsere Patienten, sie ist eher eine Stärke, die uns ermöglicht, die bestmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten. Die enge Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Fachrichtungen ist in der heutigen Zeit wichtiger denn je, dass wir unsere Ansätze koordiniert und synergistisch gestalten, um die bestmögliche Qualität und Ergebnisse für unsere Patienten zu erzielen.

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie zählt aktuell über 6.200 Mitglieder und verzeichnet ein starkes Wachstum, über 30% Frauenanteil und diese ist in den nä. Jahren weiter zunehmend. Dies zeigt das große Interesse und die Bedeutung unserer Arbeit und der der DGAV zum Wohle unserer Patienten und Mitglieder.

Gemeinsam mit meinen Mitpräsidenten Axel Dignaß und Hans Allescher haben wir für die Viszeralmedizin 2024 das Kongress-Motto „KOOPERATIV – NACHHALTIG – VISIONÄR“ gewählt. Diese drei Adjektive spiegeln wider, wie wir die Herausforderungen der modernen Medizin angehen möchten: durch Kooperation, Nachhaltigkeit und eine visionäre Ausrichtung auf die Zukunft.

Das Gesundheitswesen befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der auch unsere traditionellen Wurzeln als Ärzte betrifft. Wir stehen vor vielen Herausforderungen, sei es in der Patienten-versorgung der Baby-Boomer-Generation, der schwierigen Nachwuchsgewinnung, der Aus- und Weiterbildung, aber auch in der Forschung. Lassen Sie uns daher diesen Kongress nutzen, um Ideen auszutauschen, voneinander zu lernen und neue Wege der Zusammenarbeit zu erkunden.

Als Präsident der DGAV möchte ich das Thema „Kooperation“ gesondert herausgreifen und einen zusätzlich Aspekt hinzufügen. Es geht mir nicht nur um die Kooperation mit unseren engsten Partnern in der Klinik, wie der Gastroenterologie, Endoskopie, Radiologie, Onkologie und Pathologie, sondern auch um den inneren Zusammenhalt und dies auch innerhalb unserer Gesellschaft. Angesichts der Reformen im Gesundheitswesen, insbesondere des Krankenhausplanes NRW und Krankenhausreform des Bundes, müssen wir gemeinsam an Lösungen arbeiten, um die dringend benötigten Veränderungen voranzutreiben.

Wir alle wissen, dass unser Gesundheitssystem in Deutschland großen Nachholbedarf hat. Ein „Weiter so“ wird uns international abgehängt lassen – und wir sind schon in vielen Bereichen durch die Ökonomisierung, Spardruck und Bürokratie abgehängt. Die zunehmende Spezialisierung und die Herausforderungen des Arbeitszeitgesetzes erfordern eine Neugestaltung der Weiterbildung in der Speziellen Viszeralchirurgie in Subsegmente, während wir gleichzeitig die Bedeutung der Generalisten in Häusern der Grund- und Regelversorgung mit der Chirurgie des Häufigen nicht vergessen dürfen.

Im aktuellen Krankenhausplan NRW, die als Blaupause für die Reform in Deutschland gesehen wird, gibt es erhebliche Mängel und Korrekturbedarf. In einer aktuellen Umfrage unter den chirurgischen Chefärztinnen/-ärzten haben 30% von zertifizierten Kliniken, die die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität durch Audits der DKG und DGAV nachgewiesen haben, also die geforderte Qualität vorhalten, ihre Leistungsgruppen entzogen bekommen – damit werden Lebenswerke und gemeinsame Anstrengungen unser beider Fachdisziplinen zerstört. Wir benötigen einen Reset in vielen Bereichen, wir müssen uns aber Gehör verschaffen. Eine botton-up-Neuorganisation ist dabei effektiver als eine top-down-Anordnung nach Gutsherrenart: Man baut beim einen Haus auch nicht das Dach zuerst und dann das Fundament.

Neu haben wir in der DGAV das Ressort für Gesundheitsökonomie gegründet, mit u.a. dem Ziel unsere Arbeit im OP besser zu vergüten. Inflationsbereinigt haben wir in den letzten zehn Jahren eine signifikante Abwertung um 10% unserer chirurgischen DRG-Leistungen erfahren, was uns international ins Hintertreffen bringt. Der Sparzwang und Drücken des Preises für uns und die Industrie hat bereits zu Engpässen, nicht nur bei den Antibiotika, sondern auch bei chirurgischen Materialien (Devices, Fadenmaterial, etc) geführt. Der übertriebenen Ökonomisierung muss deshalb ein Ende gesetzt werden, Gesundheitsfürsorge ist eine Daseinsfürsorge für unsere Bürger und Bürgerinnen.

Bekanntermaßen leidet die Pflege und Ärzteschaft unter der zunehmenden und übermäßigen Bürokratisierung. Hier benötigen wir dringend Entlastung und eine separate Finanzierung für unterstützendes Personal. Hier haben wir zwar Grund zu Hoffnung, und ich komme zu visionär, dass Digitalisierung und künstliche Intelligenz uns effizienter werden lässt und nutzbringend für die tägliche Arbeit (z.B. Entlassbrief-Schreibung) eingesetzt werden kann. Zudem können durch Augmented Reality und Holomedizin chirurgische Eingriffe v.a. in der minimal-invasiven und robotischen Chirurgie präziser und damit sicherer sowie mit KI und BigData neue Tools für die Weiterbildung implementiert werden – und damit wieder das Interesse der Jungen an der Chirurgie gesteigert werden.

Am Ende meiner Ansprache möchte ich ein afrikanisches Sprichwort zitieren, dessen Urheber unbekannt ist, das jedoch meinen Wunsch für diesen Kongress und meine Präsidentschaft treffend zusammenfasst:

„If you want to go fast – go alone. If you want to go far – go together.“

In diesem Sinne hoffe ich, dass unsere beiden Fachgesellschaften, die DGVS mit Endoskopie und die DGAV, kooperativ, nachhaltig und visionär in die Zukunft gehen. Nur gemeinsam können wir, unabhängig von unserer Position oder Klinik, unsere tägliche Arbeit an den Patienten und für unsere Mitglieder erfolgreich weiterentwickeln.

Möge dieser Kongress dazu beitragen, Wissen zu vertiefen, Netzwerke zu stärken und innovative Ideen zu fördern, um die bevorstehenden Herausforderungen wie Personalmangel, Veränderungen in der Krankenhauslandschaft und Anpassungen in den Versorgungsstrukturen zu meistern, aber auch unseren Beitrag für unseren Planeten und den nachfolgenden Generationen durch neue Konzepte in der Nachhaltigkeit zur Reduzierung unseres CO2-Fussabdruckes zu leisten.

Gemeinsam haben wir großes Potenzial!

Prof. Dr. med. Waldemar Uhl
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
St. Josef-Hospital
Gudrunstr. 56
44791 Bochum
w.uhl@klinikum-bochum.de

Ansprache des Vorsitzenden der Sektion Endoskopie der DGVS

Prof. Dr. med. Hans-Dieter Allescher

Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Vorsitzender der Sektion Endoskopie der DGVS heiße ich sie aufs Herzlichste zu unserem Jahreskongress Viszeralmedizin 2024 hier in Leipzig willkommen. Dieser Jahreskongress ist das wichtigste und zentrale Event, das auch die Verzahnung der Endoskopie mit der Gastroenterologie und der Abdominal- und Viszeralchirurgie aufzeigt und unter dem Motto „Kooperativ – Nachhaltig – Visionär“ steht.

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„Kooperatives Handeln und Prävention“

Die Endoskopie ist in diesem kooperativen Management unserer Patienten das wichtigste Bindeglied zwischen der Viszeralchirurgie und der Gastroenterologie. Die Endoskopie bietet den direkten Zugang zur Diagnostik und Therapie bei entzündlichen und malignen Veränderungen, aber auch bei funktionellen Erkrankungen.

Gerade auf dem onkologischen Sektor hat sich die therapeutische Endoskopie in den letzten Jahren rasant entwickelt, die sich inzwischen nahtlos in die multimodale Tumortherapie einfügt. Wir sind heute nicht nur in der Lage, minimalinvasiv mit hoher Sensitivität diese Frühformen zu identifizieren und zu klassifizieren, sondern können diese Frühkarzinome auch auf schonende Weise komplett und somit kurativ entfernen.

Dies ist ein Quantensprung in der Therapie von Frühkarzinomen, da mit dieser Technik die normale Anatomie erhalten bleibt und die Beeinträchtigung der Organfunktionen des Patienten auf ein Minimum reduziert wird. Wesentliche Voraussetzung für die minimalinvasive Therapie ist jedoch die effektive Früherkennung von prämalignen Läsionen und Karzinomen in einem Stadium, in dem sie einer solchen schonenden Therapie noch zugänglich sind.

Daher ist die Prävention und das Screening von malignen Veränderungen im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt ein erster wesentlicher Bestandteil des diesjährigen Kongressprogramms. Die Früherkennung und die Therapie von Läsionen nicht nur im Kolorektum, sondern auch in der Speiseröhre, im Magen, und der Gallenwege durch geeignete Programme kann die Entdeckung von solchen Frühbefunden ermöglichen und so, bei gleichem kurativem Ergebnis, schwerwiegende chirurgische oder auch andere onkologische Verfahren minimieren.

Bei der Koloskopie hat sich als Vorsorgestrategie für das Kolorektale Karzinom seit über 25 Jahren bewährt und zeigt die ersten deutlich messbaren Erfolge mit einem Rückgang der Karzinom-Inzidenz und den Möglichkeiten, auch hier Frühbefunde kurativ zu therapieren. In der Hauptsitzung „Präventive Endoskopie 3.0“ werden diese Möglichkeiten der Vorsorge und der Prävention beim kolorektalen Karzinom aufgezeigt und die Ergebnisse der Tätigkeiten der letzten 25 Jahre dargestellt. Zudem werden neue Präventionsansätze durch moderne Verfahren wie Liquid Biopsy, molekularbiologische Untersuchungen von Stuhl und Serum und die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten des Mikrobioms beleuchtet. Ob diese die generelle Vorsorgekoloskopie ersetzen können oder zielgerichteter vorgenommen werden kann, ist eine der wichtigen Aufgaben, die direkt zum nächsten Themenschwerpunkt leitet.

„Nachhaltig“

Der zweite wichtige Themenschwerpunkt ist die Nachhaltigkeit und die Ressourcenschonung in der Viszeralmedizin und vor allem im Bereich der flexiblen Endoskopie. Die Endoskopie-Abteilungen zählen gegenwärtig leider zu den größten Produzenten von Abfall und sind führend im Verbrauch von Energie und Wasser. Die Einmalprodukte und die Aufbereitung der flexiblen Endoskope, aber auch die Häufigkeit der Untersuchungen und die damit verbundenen diagnostischen Maßnahmen (Biopsien) tragen wesentlich zu dieser negativen Umweltbilanz bei. Auch wenn sich dies aus hygienischen Gründen nicht komplett auf null reduzieren lässt, so gilt es im Hinblick auf die Nachhaltigkeit, die bisherige Praxis in Bezug auf Indikationsstellung, Technik der Durchführung, Vermeidung oder Wiederverwendung von Materialien zu überdenken. Diesem Thema sind mehrere Schwerpunktsitzungen gewidmet.  Neben der Indikationsstellung und der Vermeidung von Doppeluntersuchungen steht auch die Frage, ob mit den heutigen modernen Bildgebungsverfahren und der künstlichen Intelligenz, weiterhin vielfältige Routine-Biopsien erforderlich sind, oder ob dies durch diese neuen Techniken ersetzt werden kann.

„Visionär“

Der dritte thematische Schwerpunkt handelt davon, die Innovationen und neue Verfahren auf den Prüfstand zu stellen und neue Visionen zu entwickeln. Dazu dienen sowohl die Sitzungen zur interventionellen Endosonographie, zur hepato-biliären Endoskopie und zu innovativen Methoden in den Bereichen der funktionellen und metabolischen Endoskopie. Mit diesem Verfahren ist es in Zukunft möglich, Patienten mit funktionellen Störungen auf minimal-invasiven Weg zu diagnostizieren und bei dem metabolischen Syndrom mit Hilfe von minimal-invasiven Verfahren zu therapieren. Als absolute Neuerung des Kongresses dient dazu auch die erstmals eingereichte „Vision Village“, die in vielen Kurzthemen und Diskussionsrunden, aber auch in einem Hands-On Bereich die Visionen vorstellen. So werden Neuentwicklungen und neue Konzepte, neue Arbeitszeitmodell vorgestellt, oder auch die Gründung von Start-Up Firmen und der Weg von der Vision zu einem Produkt oder einer Firma behandelt. Die „Vision Village“ erlaubt in einem innovativen ungezwungenen Umfeld, die Darstellung und die Diskussion von und mit Experten. Die Visionen von heute sind unsere Methoden von morgen.

Der Viszeralmedizin Kongress 2024 möchte diese Ideen und Vision anziehen, fördern und helfen, sie in neue Methoden zum Wohle unserer Patienten umzusetzen.  Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen, interessanten, lehrreichen und inspirierenden Viszeralmedizin Kongress 2024.

Prof. Dr. med. Hans-Dieter Allescher
Zentrum für Innere Medizin Gastroent., Hepatologie u. Stoffwechsel
Klinikum Garmisch-Partenkirchen
Auenstr. 6
82467 Garmisch-Partenkirchen
hans.allescher@klinikum-gap.de